Ratgeber: Proberaum einrichten – Tipps und Infos
Wer in der Stadt lebt und regelmäßig Musik übt, weiß schon, wie schwer die Bewahrung des Einklangs mit den Nachbarn dabei fallen kann.
Diese Problematik verschärft sich, wenn man zusammen mit Freunden oder Kollegen üben will, denn dann geht es nicht mehr um das Einüben eines Musikstücks, das man ja auch mit dem Dämpfer erlernen kann, sondern es geht darum, das Zusammenwirken der verschiedenen Instrumente mit solcher Lautstärke zu erproben, wie sie einst im Konzertraum klingen werden.
Genauso, wie Störungen von Außen Musikern die Arbeit erschweren oder beim Aufnehmen gar unmöglich machen können, können auch bei anderen Berufs- und Bevölkerungsgruppen Arbeits- und Lebensbedingungen durch laute Musik verschlechtert werden. Dem Mikrozensus 2015 zufolge fühlen sich 38,7 % der Österreicher in ihrer Wohnung durch Lärm gestört. Nachbarwohnungen galten nach Verkehr und Baustellen und vor Betrieben mit 17 % aller Lärmstörungen als dritthäufigste Strörungsursache. 2019 waren die Nachbarn schon auf Platz 2.
Wozu ein Proberaum?
Ein ausreichend schallisolierter Proberaum dient eben dazu, beim Üben nicht gestört zu werden und auch nicht zu stören. Er kann angemietet werden, jedoch schwerlich unter € 100,–/Monat für einen Abend pro Woche. Dies liegt u. a. daran, dass auch Instrumente, Soundanlage und Aufsichtsperson mit in die Kosten einberechnet werden, die man in einem eigenen Proberaum schon zur Hand haben bzw. gar nicht brauchen würde. Einen eigenen Proberaum einzurichten bedürfte wiederum einer Investition, die einerseits davon abhinge, was für Störungen man beim Proben hinzunehmen bereit wäre, andererseits aber auch davon, was man gesetzmäßig den Nachbarn zumuten darf.
Wie laut darf ich denn sein?
Die österreichische Gesetzgebung betrachtet Lärm und Lärmschutz unterschiedlich, je nachdem, ob die Störung gewerblich oder im Wohnraum empfunden wird.
Im Gewerbe hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die in der Verordnung Lärm und Vibrationen bestimmten Werte bei jedem Arbeitnehmer an dessen jeweiligem Arbeitsplatz eingehalten werden. Liegt nebenan ein Gewerbe, so sollen die darin arbeitenden Menschen weder einem Lärm von über 80 dB bzw. Vibrationen von über 1,15 m/s² noch die verschiedenen im Gewerbe angewendeten Warnsignale überhören können.
Arbeiten sie geistig, so sollen sie nicht mehr als 50 dB erfahren, genauso wie in den Aufenthalts- und Sanitätsräumen. Der Schallpegel ist in dem Fall also relativ hoch und leicht einzuhalten, ist aber auch vom Schallton abhängig und seine einmalige Überschreitung kann schon schwerwiegende Folgen haben (z. B. wenn die Arbeiter wegen der Musik einen Alarm überhören). Eine Absprache mit dem benachbarten Gewerbebetreiber empfiehlt sich.
In Wohnräumen hingegen gilt § 364 Abs 2 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch:
„(2) Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. […]“
Proben dürfen Nachbarn also durchaus rechtmäßig unterbrechen und ihretwegen vor Gericht gehen, auch Vermieter Mietverträge lauter Musiker kündigen, soweit die Proben in Art, Dauer, Lautstärke und Uhrzeit ortsunüblich sind. Klavier ist z. B. grundsätzlich in ganz Österreich ortsüblich: Klavier üben darf man also der Jurisprudenz nach zwei Stunden täglich außerhalb der Nacht- und Mittagsruhe. Bei Schlagzeug wird es wohl anders sein: Hier spielen Ton und Klangfarbe auch eine Rolle.
Gewerbliches Üben ist dem Obersten Gerichtshof nach in keinem Wohnviertel ortsüblich. Ist das musikalische Gewerbe aber genehmigt, so muss es sich nur an dem von der Gewerbebehörde gegebenen Rahmen halten und den Nachbarn eventuell einen Schadenersatz bezahlen.
Wie laut ist mein Instrument eigentlich?
Ob das Üben überhaupt zum Problem werden kann, hängt natürlich von der Lautstärke der Instrumente allein und in Besetzung ab. Eine Daumenregel zur Bestimmung der Lautstärke eines Instruments stellt die Orchesterbesetzung dar: Wenn 26 Geigen so laut sind wie zwei Querflöten, ein Paukensatz oder ein Klavier, werden Klavier, Schlagzeug und Blasinstrumente eher Probleme erregen als kleinere Streichinstrumente.
Wie wird Schall gemessen?
Die Belastungsgrenzen werden in dB, manchmal auch in Pa angegeben. Die Lautstärke eines einzelnen Instruments kann auch in dB angegeben werden: Sie liegt zwischen 80 und 130 dB. Daraus ergibt sich aber gar nicht, dass zwei Geigen mit je 80 dB die um 130 dB liegende Schmerzgrenze weit überschreiten würden.
Der Schallleistungspegel in dB, das man als „absolute Lautstärke“ bezeichnen könnte, lässt sich nämlich logarithmisch von der Schallleistung in W ableiten, indem der Schallleistungspegel je Verzehnfachung der Schallleistung um 10 dB zunimmt. Absolut verzweifacht man die Schalleistung des Geigenspiels, indem man zwei Geigen zusammensetzt: Ihr Schallleistungspegel wird somit um etwa 3 dB erhöht.
Hingegen konzentrieren sich Messungen der Lärmwirkung an bestimmten Orten auf die je nach Abstand empfundene Lautstärke (Schalldruckpegel) in dBSPL (Dezibel Sound Pressure Level) und auf den Schalldruck in Pa. Der Schalldruck von einer bestimmten Schallquelle kann die gesamte von der Schallquelle in alle Richtungen herausgehende Schallleistung überschreiten, und so kann auch die an einem bestimmten Ort empfundene Lautstärke einer bestimmten Schallquelle nicht höher sein als ihr Schallleistungspegel.
Wie funktioniert Schallisolation?
Die empfundene Lautstärke ändert sich mit Abstand (- 6 dB je Verdoppelung des Abstands) und Druckreflexion: Diese sind die beiden Wege der Schalldämpfung und der Schalldämmung. Das Gebäude ist entweder so gebaut, dass die Wände den ganzen Schalldruck dämmen (und womöglich reflektieren, was eine Akustikanlage auch nötig macht) und so verhindern, dass der Schall in die anderen Räume eindringt, oder der Schall soll gedämpft werden, indem die Schallwellen durch poröse Stoffe in viele verschiedene Richtungen gelenkt werden, bis die Reibung die einzelnen kleinen Wellen in kürzere, unhörbare Wellen verwandelt.
Welche Räume eignen sich?
Meist kann man nicht sehen, woraus Wände, Böden und Decken bestehen, ohne sie zu beschädigen. Wenn das Material, mit dem der Raum isoliert worden ist, sichtbar ist, kann folgende Daumenregel gelten: Was man so aus dem Stegreif als Musikinstrument gebrauchen könnte, wird sich auch von selbst als sekundäre Schallquelle verhalten. Stroh, Aluminiumfolie und sonstige Metalle, volle oder hohle Ziegelsteine, Stahlbeton sind also keine Schalldämpfer. Dagegen sind Kork, Schafwolle, Hanfwolle gute Schalldämpfer.
Sieht man nicht, woraus Wände und Decken bestehen, so kann man zumindest Wände und Decken an verschiedenen Stellen durch Klopfen testen und den Lärm von Außen mit offenem und geschlossenem Fenster und nach Möglichkeit vom geplanten Proberaum in die benachbarten Räume messen.
Belüftungs-, Heizungs- und Wasserrohre sollten gemieden werden: Sie leiten nämlich den Schall weiter in alle mit ihnen kommunizierenden Räume, sind aber wegen Sicherheitsregelungen da, weshalb man sie nicht zudecken sollte. Es sollte also ein einfaches Zimmer mit doppelt oder dreifach verglastem Fenster und ohne Waschbecken gewählt werden.
Bei der Wahl des Raums sollte man auch darauf achten, dass der Raum nach den geplanten Lärmschutzmaßnahmen alle Instrumente und Musiker enthalten wird können, mit denen man zu üben plant.
Wie kann ich sperriges Equipment transportieren?
Hat man sich für ein geeignetes Zimmer entschieden und die Einrichtungsarbeiten schon geplant, so bleibt nur noch die Frage offen, wie Schalldämpfer, Soundanlagen, Instrumenten und Zubehör nacheinander ohne Schaden hineintransportiert werden sollen. An eine professionelle Umzugsfirma hat man vielleicht schon für Instrumente und Soundanlage gedacht, doch die Schalldämpfmaterialien selbst nehmen auch sehr viel Platz ein. Wenn sie bestellt sind, sollte man ihr Gesamtvolumen noch berechnen und bei der Umzugsfirma notfalls einen weiteren Transport buchen.
Welches Equipment sollte vorhanden sein?
Zur Beleuchtung, zur elektrischen Verstärkung, zur Einbeziehung einer Soundanlage sowie zur Tonaufnahme sollte ein elektrischer Standardanschluss vorhanden sein, der bei den Isolierungsarbeiten geschützt bleiben sollte. Ansonsten sollte das dämpfende Equipment alle nicht genügend isolierten Flächen einschließlich Türen abdecken bzw. bei Boxen Instrumente und Spieler komplett einschließen.
Welche Materialien und Lösungen bieten sich zur Schalldämpfung?
Am leichtesten fällt die Isolierung des Proberaums dann, wenn man über ein ganzes Zimmer verfügt, auf dessen Flächen man die isolierenden Materialien aufkleben darf: Pyramideschaumstoff und sonstige künstliche Akustikstoffe, Kork, Schaf- oder Hanfwolle, Wachs usw.; wenn das nicht möglich ist, empfehlen sich an- und abmontierbare Schalldämmwände und/oder Schallschutzvorhänge, die aber jedesmal sorgfältig zugemacht werden müssen.
Schalldämpfer wirken in beiden Richtungen: Wird der Schall vorne nicht reflektiert und hinten nicht weitergegeben, so wird auch der Schall von hinten vorne nicht weitergegeben. Schalldämpfende Materialien haben einen niedrigen Reflexionsgrad, reflektieren also wenig Schall und für kurze Zeit; einen hohen Absorbtionsgrad: Sie geben den Schall weiter; aber auch einen niedrigen Remissionsgrad: Der Schall, den sie von der einen Seite ab weitergeben, gelangt meist nicht weiter als bis zur anderen Seite. Im Remissionsgrad unterscheiden sich von solchen Materialien, die ausschließlich für perfekte Tonaufnahmen gedacht sind, eigentlich schalldämpfende Materialien.
Oft wird beim Kauf aber nur der Absorbtionsgrad angegeben. Hilfreich können schon aus diesem Grund Ratschläge eines erfahrenen Tontechnikers oder -ingenieurs sein, aber auch deshalb, weil sich schalldämpfende Materialien auch nach gedämpften Frequenzen unterscheiden lassen. Schließlich ist auch zur genaueren Planung professioneller Rat empfehlenswert, weil sich der Schalldruckpegel in dBSPL an der anderen Wandseite nicht einfach aus einer Abziehung des Produkts von Absorbtionsgrad und Schallleistungspegel ergibt, sondern einer eigenen Berechnung bedarf, die Abstände, Frequenzen und Art, Dichte, Form und Tiefe des Materials einbezieht. Notfalls kann auch deutlich mehr Dämpfmaterial als nötig gekauft und anschließend herumgetestet werden, natürlich nach Absprache mit den Nachbarn.
Was muss man beachten, wenn man einen Proberaum einrichtet?
Wenn man dabei ist, die Idee in die Tat umzusetzen, sollte man noch mit den Nachbarn die Zeiten vereinbaren, zu denen man Lautstärke testen und basteln wird. Schließlich ist ihre Rückmeldung bei der Bewertung der existierenden Schalldämpfung von großem Nutzen!
Vor allem aber ist eine Absprache mit dem Vermieter dann nötig, wenn die Einrichtung des Proberaums unumkehrbare Veränderungen des Baus (insbesondere des Altbaus) oder der im Mietvertrag beschriebenen Ausstattung der Räume mit sich zieht. Diese Absprache ist dann von besonderer Wichtigkeit, wenn das Probezimmer nach den Arbeiten auch um einen Bruchteil in Fläche oder Höhe kleiner werden soll und das schalldämpfende Equipment nicht spurlos wieder abgenommen werden wird können.